Station 6 – Lager Vulkan
„In dieser Hölle, in der wir lebten,war Überleben die Hauptsache.“
Station 6 als Audioguide
700 Männer werden „vom Berg verschluckt“
Im Frühjahr 1944 wurde das Gelände der Hartstein-Werke Vulkan auf dem Haslacher Urenkopf vom Reichswirtschaftsministerium beschlagnahmt. Die Stollen sollten zu einer unterirdischen Produktionsstätte für die Rüstungsindustrie ausgebaut werden. Für die Schwerstarbeit in den Stollen wurden KZ-Häftlinge herangezogen. Die meisten Häftlinge des Lagers Vulkan kamen aus dem Erziehungs- und Sicherungslager Schirmeck-Vorbruck. Viele der Gefangenen waren Franzosen, darunter einige Elsässer, die sich geweigert hatten in Wehrmacht oder SS einzutreten. Andere waren im Widerstand organisiert oder Opfer von Denunziation geworden. Unter den Häftlingen war eine größere Anzahl von Geiseln, die für untergetauchte Familienangehörige festgenommen und deportiert wurden.
Am 4. Dezember 1944 kamen die ersten Häftlinge des Lagers Vulkan über Rastatt nach einem mehrtägigen Zugtransport von Hunger und Durst gequält in Haslach an. Von SS-Wachen wurden sie durch die Stadt den Berg hinauf in die Stollen des Vulkan-Werks getrieben. Der Lagerüberlebende Alfred Kleinmann erinnert sich:
Im strömenden Regen stiegen wir den Berg Vulkan hinauf und die Spitze der Kolonne verschwand in einem schwarzen Loch, der dunklen Öffnung des Stollens, einer Galerie, die in den Felsen eines ehemaligen Schiefersteinbruchs gehauen war. 700 Mann wurden vom Berg verschluckt, und ich glaubte wirklich, dass wir nie mehr das Tageslicht sehen würden. [1]
Die Vulkan-Häftlinge waren für den umfangreichen Ausbau der unterirdischen Produktionsanlagen bestimmt: Unter der Aufsicht der Organisation Todt mussten sie Felsblöcke brechen, den Erdboden abtragen und Wasserabführleitungen verlegen. Viele Häftlinge entkamen dem feuchten und kalten Stollensystem für die nächsten Monate nicht mehr. So zehrte die schwere Zwangsarbeit unter der Willkür der Wachen an den Kräften der Häftlinge.
„Diese Höhle war von eisig feuchter Kälte durchdrungen und nur schwach erhellt, starr vor Kälte richtete sich jeder so ein, dass er sich an die anderen drängte.[2] Fasst Joseph Loriol sein Gefühl der Hilfslosigkeit zusammen.
Leben und arbeiten unter Tage
Der Seitenstollen, in dem die Häftlinge inhaftiert waren, war für die Masse der 700 Zwangsarbeiter nicht vorbereitet worden. So wurden erst nach Tagen Toilettenkübel aufgestellt, die häufig überliefen, da sie für die große Anzahl von Menschen nicht ausreichten. Zuvor mussten die Häftlinge ihre Notdurft am Ende des Stollens verrichten. Wasser und Exkremente flossen unter den Brettern, die als Schlafstätten dienten, hindurch. Waschen konnten sich die Männer nur notdürftig an einer Stelle, an der sich das von den Wänden rinnende Wasser sammelte. Der Häftling Alfred Daul berichtet 1947 im Rastatter Prozess über die Lebensbedingungen im Lager Vulkan:
Es gab für die Häftlinge weder Betten noch Strohsäcke, lediglich eine Handvoll nassen Strohs, welches während der fünf Monate nicht erneuert wurde. Es gab weder frisches Trinkwasser noch Waschgelegenheiten, von sonstigen sozialen oder hygienischen Einrichtungen gar nicht zu sprechen. Die Verpflegung war vollkommen unzureichend. Die Häftlinge wurden stets viehisch misshandelt und geschlagen. Millionen von Läusen konnten auf Grund dieser grenzenlosen Verwahrlosung aufkommen und wurden eine für die Häftlinge fast unausstehliche Qual. Die Folge dieser Zustände waren Massenerkrankungen und Tod.“ [3]
Die Wachmannschaft unter SS-Sturmscharführer Joseph Krauss ging besonders grausam mit den Häftlingen um. So ließ er wiederholt die Exkremente aus dem Krankenrevier über den Küchenabfällen ausgießen. Von Hunger getrieben wuschen einige Gefangene die Essensreste ab, um sie zu verschlingen. Zusätzlich plagte die Häftlinge eine unglaubliche Verlausung, weshalb sie jeden Abend stundenlang verzweifelt damit beschäftigt waren, die Zahl der Läuse einzudämmen.
Die Kranken werden immer zahlreicher […] deshalb kümmere ich mich um diese armen Unglücklichen, die vor Fieber brennen, von der Ruhr zerfressen werden und deren Abszesse und Furunkel zum Tod führen. Ein Krankenpfleger der Organisation Todt gibt mir Aspirin, ich verlange warmes Wasser und versuche zu helfen, zu trösten […] Jedoch das Sterben nimmt verheerende Ausmaße an. Allmorgendlich holen wir die Leichname heraus und beten trotz des Verbotes für sie.“ [4]
Das Lager Vulkan überlebten ca. 70 Häftlinge nicht. Sie wurden in einem Massengrab außerhalb des Haslacher Friedhofs begraben. Mindestens fünf Zwangsarbeiter wurden durch Genickschuss ermordet und neben dem Lagergelände verscharrt.
Der Vulkan nach 1945
Die französische Besatzungsmacht sprengte im April 1948 die Stollen. In den Jahren 1953 bis 1965 diente das Vulkan-Gelände als Munitions- und Sprengstoffdepot für das französische Militär. Danach wurde das Gelände als Mülldeponie genutzt; zunächst von der Stadt Haslach, seit Anfang der 1970er Jahre vom Ortenaukreis.
Seit 1998 befindet sich an der Bergstation der ehemaligen Seilbahn die zentrale Gedenkstätte für die Zwangsarbeiter von Haslach.
[1] Nach Bicheray-Choquin, Michelle: Les camps de Haslach. les déportés racontent, 1998, S. 280 f.
[2] Bericht des Häftlings Alfred Daul im Rastatter KZ-Prozess. In: Ortenauer Zeitung vom 25. Februar 1947.
[3] Michelle Bicheray-Choquin: Die Geschichte der Deportation von Jospeh Loriol ins Lager Vulkan in Haslach, 2009, übersetzt von Erhard Fürst (2010), S. 6.
[4] Michelle Bicheray-Choquin: Die Geschichte der Deportation von Jospeh Loriol ins Lager Vulkan in Haslach, 2009 übersetzt von Erhard Fürst (2010), S. 5 und S. 3.