René Thalmann
„Es gab nur wenige, die das Glück hatten,aus diesem unbeschreiblichen Ort herauszukommen…“
Ein junger Mann geht in die Résistance
René Thalmann wurde am 16. März 1927 im lothringischen St. Dié geboren. Am 10. Oktober 1943 entschloss er sich bereits im Alter von 16 Jahren gegen die deutschen Besatzer in Frankreich Widerstand zu leisten und trat der Résistance bei.
1944 wurde er am 30. März von den Deutschen gefangengenommen und der Zugehörigkeit zur Résistance angeklagt, welche er vehement verleugnete, um seine Kameraden nicht in Gefahr zu bringen. René Thalmann beschreibt eines, von einer ganzen Reihe von Verhören während seiner Gefangenschaft, in einem Interview 1998 als besonders „handfest“, denn danach sei sein gesamter Körper „voller Blut, mit Beulen und Hämatomen von den Knöcheln bis zum Nacken bedeckt und [er] praktisch bewusstlos“ gewesen. [1]
Im „Gefängnis Unserer Lieben Frau in Epinal, musste Thalmann miterleben, wie sein Zellengenosse und mehrere Häftlinge zunächst mit Stiefeltritten und Kolbenhieben malträtiert und anschließend zum Tode verurteilt und abgeführt wurden. Das Letzte, was er von ihnen hörte, war, wie sie gemeinsam die Marseillaise sangen, dann kamen nur noch Schüsse. Seine Kameraden waren „mutig für ihr Land und die Freiheit gestorben. [2]
Mit den ersten Häftlingen nach Haslach
René Thalmann wurde nun in mehrere Gefängnisse und Lager wie die KZ Struthof und Dachau transportiert, bis er schließlich am 16. September 1944 zusammen mit 399 weiteren Häftlingen in Viehwagons über das Lager Allach nach Haslach geschickt wurde.
Dort musste er im Lager Sportplatz in einer Baracke, welche kaum für jeden zweiten Häftling eine Schlafstelle bot, die Schikanen und Misshandlungen der SS über sich ergehen lassen. Jeden Tag ab 4 Uhr morgens, von den „Schreien und den Knüppelschläge des Lagerleiters geweckt, bis spät abends zusammen mit den anderen Häftlingen unter unmenschlichen Bedingungen im Steinbruch arbeiten. Das Erste, was die Häftlinge jeden Morgen zu tun hatten, war, die Toten aus der Baracke zu schaffen. Beim morgendlichen Zählappell mussten auch die Toten auf dem Appellplatz sein, um die Anwesenheit aller Häftlinge zu überprüfen. Auch auf dem Weg von der Arbeit zurück in die Baracke mussten die Häftlinge Verwundete und Tote hinuntertragen.
„Bis zu unserem Arbeitsplatz musste man ungefähr eine Stunde gehen, es war anstrengend, denn der Weg dorthin führte zum großen Teil über einen ziemlich steilen Bergweg. Oben angekommen, mussten wir uns sofort an die Arbeit machen, unter der Leitung von Mitgliedern der Organisation Todt, die übrigens der SS in nichts nachstanden im Hinblick auf Brutalität [?] Bei jedem Wetter mussten wir ununterbrochen arbeiten, unter den Beschimpfungen und Schlägen unserer Gefangenenwärter, bei einer Stunde Pause für die Suppe, die anfangs sehr unregelmäßig mit der Seilbahn aus der Stadt kam, manchmal erst um drei oder vier Uhr nachmittags. Es erübrigt sich zu sagen, was für eine Suppe das war und in welchem Zustand sie bei uns kam, sobald es kalt wurde. Es war nichts Flüssiges mehr, sondern Eisblöcke. [?] Es war also nicht überraschend, dass bei solchen Verhältnissen, bei diesen Arbeitsbedingungen, der geringen Nahrung, der schlechten Behandlung und dem absoluten Mangel an Hygiene Krankheiten (wie z.B. Ruhr, Tuberkulose, Typhus usw.) und Läuse sich im Lager ausbreiteten, und wegen des Fehlens jeglicher Medikamente die Sterblichkeit erschreckend hoch war.“ [3]
René Thalmann beschreibt immer wieder auch den allgegenwärtigen Terror der Wachmannschaften. So musste der 17-Jährige mit ansehen, wie einer seiner Kameraden aus nächster Nähe kaltblütig durch einen Kopfschuss getötet wurde, weil er sich am Rande eines Feldes nach einer Stange Lauch böckte. Wenn Häftlinge bei einem Fluchtversuch erwischt wurden, wurden sie von den Wachen bis zur völligen Erschöpfung der Prügelstrafe unterzogen. „Dann mussten sie in Habachtstellung vor dem Tor des Lagers stehen, jedes Mal wenn einer das geringste Zeichen von Schwäche zeigte, schlug ihn die Wache bis zur völligen Erschöpfung, [manchmal] bis zum Tod.“[4]
Schließlich wurde René Thalmann mit hohem Fieber und einer schweren Lungenentzündung in die Krankenstation eingeliefert, wo ungefähr 50 Sterbende in jämmerlichem Zustand zusammenlebten. Dort lagen jeden Morgen die völlig abgemagerten Leichen seiner Kameraden vor der Türe, die im Laufe des Vormittags mit einer Karre zu einem Massengrab vor dem Haslacher Friedhof gefahren wurden. René Thalmann und viele weitere Häftlinge überkommt noch heute maßloser Ekel, wenn sie sich daran erinnern, dass derselbe Karren auf dem Rückweg dazu verwendet wurde, ihre spärlichen Brotrationen aus der Stadt ins Lager zu transportieren.
René Thalmann kämpft nach dem Krieg weiter für Freiheit und gegen Faschismus
Es gab nur wenige, die wie der junge René Thalmann das Glück hatten, aus diesem unbeschreiblichen Ort herauszukommen, den er als das „Symbol menschlicher Verkommenheit, in die uns die Vorherrschaft des Teufels und die Ungeheuerlichkeit der Nazis gestürzt hatte“ [5] beschreibt. Daher sah er es immer als seine historische Verantwortung, sich gegen Unterdrückung und Faschismus zu engagieren. Als Sprecher der überlebenden Häftlinge der drei Haslacher Lager engagierte er sich gegen das Vergessen und für die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Geschichte. Es ist ihm ein besonderes Anliegen die jungen Generationen für Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu sensibilisieren, weshalb er zahlreiche Vorträge an französischen und deutschen Schulen hält.
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[1] Nach: Bicheray-Choquin, Michelle: Les camps de Haslach. les déportés racont ent, 1998, S. 22 ff. [2] Ebd. [3] Ebd. [4] Ebd. [5] Ebd.