Station 5 – Das Massengrab
„Vom anonymen Massengrab zum Ehrengrab“
Station 5 als Audioguide
Der Tod als allgegenwärtiger Begleiter
Die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen der Häftlinge in den drei Haslacher Lagern Sportplatz, Kinzigdamm und Vulkan führten zu hundertfachem Tod. Mindestens 220 Menschen ließen ihr Leben in den Haslacher Lagern. So starben aber von den 256 Häftlingen, welche Mitte Februar 1945 vom Lager Sportplatz in das „Kranken- und Sterbelager“ Vaihingen überstellt wurden, 70 von ihnen in den folgenden beiden Monaten.[1] Zudem haben viele Zwangsarbeiter ihre Inhaftierung nur kurze Zeit überlebt und starben bald an den Folgen der Haftbedingungen.
Mindestens 217 Häftlinge wurden seit Dezember 1944 in einem Massengrab neben dem Haslacher Friedhof verscharrt.
Erwin Dold, ab Dezember 1944 Kommandant des Lagers Sportplatz, gibt nach seiner Verhaftung durch die französische Gendarmerie am 11. Juli 1946 dazu Folgendes zu Protokoll:
„Infolge einer Typhusepidemie starben zahlreiche Männer, täglich sieben bis acht. Ich schätze, dass 110 Häftlinge gestorben sind. Sie wurden in dem Massengrab hinter dem Friedhof beerdigt. Dieses Sammelgrab blieb stets geöffnet. Die Leichen wurden entkleidet und bei Einbruch der Dunkelheit oder frühmorgens trugen die Gefangenen ihre Kameraden weg und warfen sie durcheinander in das Grab. Einige Bretter wurden darüber gelegt und es genügte, diese Bretter wegzunehmen für die Aktion am nächsten Tag.“[2]
Solange die Toten noch einen Namen haben, sind sie nicht vergessen
Georges Torri wurde als Totengräber des Lagers Vulkan bestimmt und war seit dem 28. Dezember 1944 für die Beerdigung seiner Häftlingskameraden zuständig. Ihm ist es zu verdanken, dass viele der Toten später wieder identifiziert werden konnten. Er und die anderen Häftlinge, welche Bestattungen durchzuführen hatten, versuchten heimlich entgegen der Vorschriften die Anonymität der Toten im Grab aufzuheben. Der Lagerüberlebende Yvan Homel berichtet darüber, wie sie die Toten Kameraden beerdigten.
„Die Häftlinge hoben eine Grube aus für die Toten vom Tage. Das ging so die ersten Monate, aber von Dezember [1944] ab starben sieben bis zehn jeden Tag, und es war nicht mehr möglich, kleine Gruben auszuheben. Der erste Tote bekam [auch noch] eine Kiste, die mein Kamerad Roger Aubert anfertigte; er war Schreiner […] Er hat eine zweite Kiste hergestellt, um die beiden nächsten Toten hineinzulegen. Dann haben die SS-Männer die einfachen Särge verboten. Zur späteren Identifikation gaben wir den Toten ein Erkennungszeichen mit [ins Grab], wie z. B. eine gravierte Platte oder ein Fläschchen mit ein paar Worten, das um ihren Hals gebunden wurde. Sie wurden vollkommen nackt beerdigt. Wir mussten aufpassen, dass wir nicht erwischt wurden.“ [3]
Die SS ist weg – was geschieht mit dem Massengrab?
Nach der Räumung der drei Haslacher Lager musste George Torri auf Befehl der SS im April 1945 die Gräber einebnen, damit das Gelände wie ein normaler Garten aussah. Beim Herannahen der Alliierten – als die SS bereits abgezogen war – wurde der Boden gepflügt und rekultiviert, um die Grässlichkeit des Untergrunds zu vertuschen. Aber eine Pflugschar hatte eine kleine Metallplatte zutage gebracht, mit dem Namen „René Duvoid“. Damit wurde unübersehbar, welches Unrecht an diesem Ort geschehen war. „Nach dem Umsturz wurde von der Stadtverwaltung [der] Begräbnisplatz zu einem Friedhof gewandelt.“[4] So wurden in Eile Kreuze gesetzt und die Namensplakette an einem dieser Kreuze befestigt. [5]
Gedenken der Toten
Im September 1946 wurde das Massengrab unter Leitung der französischen Verwaltung von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, die zu dieser Arbeit herangezogen wurden, geöffnet. 210 Leichen konnten exhumiert werden. Die Toten wurden in Särgen in der Stadthalle aufgebahrt, bevor sie am 17. September 1946 in
Einzelgräbern auf dem Haslacher Friedhof beigesetzt wurden. Später wurden 135 Tote in ihre Heimatländer überführt. 75 Leichen konnten nicht mehr identifiziert werden. Diese Verstorbenen ruhen nun seit 1953 in einem Ehrengrab auf dem Haslacher Friedhof.
[1] Steegmann, Robert: Struthof.Le KL-Natzweiler et ses kommandos. Une nébuleuse concentrationnaire des deux ‚ce du Rhin 1941-1945, Strasbourg 2005, S. 432.
[2] Auszug aus dem Protokoll der Gendarmerie Haslach Nr. 569 vom 11.07.1946; Archiv Gedenkstätte Vulkan
[3] Nach: Homel, Yvan: Yvan. 10 mois en enfer, o.O. 2001, S. 53 ff.