Henry Foltzer
„Mit Wut im Herzen überquerten wir die Brücke in Kehl“
Der Weg in die Gefangenschaft
Der Elsässer Henry Foltzer wurde im Oktober 1944 als 17-Jähriger von den Deutschen zum Arbeitsdienst am Col du Donon zwangsverpflichtet. Dort musste er Schützengräben ausheben und Befestigungsanlagen bauen. Mitte Oktober flieht Foltzer, weil er als Franzose die deutsche Kriegsmaschinerie nicht länger unterstützen will und versteckt sich in seinem Heimatort Wettolsheim.
Einige Zeit konnte er dort untertauchen. Im November 1944 jedoch wurde er entdeckt, verhaftet und mit weiteren Jugendlichen aus seinem Dorf nach Colmar ins Gefängnis gesperrt. Dort waren sie der Gestapo und ihren Verhören ausgeliefert.
Der junge Henry kam von hier aus in das Sicherungslager Schirmeck. Hunderte von Häftlingen waren hier brutalen Misshandlungen und Demütigungen ausgesetzt, um so deren Widerstand zu brechen. Foltzer wurde dabei von seinen Dorfkameraden getrennt. Er sah sie nie wieder.
Am 22. November wurde das Lager Schirmeck evakuiert. Die Gefangenen wurden mit Lastwagen und Eisenbahn nur Stunden vor der Befreiung Straßburgs durch die französische Armee über den Rhein gebracht und in das Arbeitserziehungslager Niederbühl transportiert. Foltzer war fest entschlossen auf dieser Fahrt zu fliehen, um sich der französischen Armee anzuschließen.
Im Rastatter Sammellager traf Henry Foltzer auf Pierre Laucher: „Wir hatten uns aus meinem Dorf gekannt, wo [Pierre] seine Familienangehörigen besuchte. Und nun trafen wir uns hier wieder, zwei Deportierte in der gleichen Lage. Von diesem Augenblick an blieben wir immer beisammen bis zur Evakuierung des Vulkan, wo jeder seine eigene Befreiung erlebte„[2].Doch die Wachmänner bedrohten die Gefangenen mit vorgehaltener Waffe, sodass ein Entkommen unmöglich wurde: „Mit Wut im Herzen überquerten wir die Brücke in Kehl.„[1]
Der Kampf ums überleben im Lager Vulkan
Am 2. Dezember wurden die Männer nach Haslach ins Lager Vulkan deportiert. Hier arbeitete Foltzer in verschiedenen Kommandos: anfangs im Steinbruch, später in den Stollen. Am Fuße des Steinbruchs war die Arbeit besonders gefährlich und erforderte dauernde Konzentration und Vorsicht. Zudem waren die Gefangenen von unberechenbaren Wutausbrüchen der Wachmänner bedroht.
Foltzer übernahm meistens das Betonieren, da er für diese Arbeit eine doppelte Ration Brot und Margarine bekam. Fast jeden Tag kamen Mitgefangene ums Leben, so Foltzer. Manche wurden morgens leblos aufgefunden, andere brachen auf dem Rückweg ins Lager vor Erschöpfung zusammen. Häufig mussten sie am Wegesrand liegengelassen werden.
„Eines Tages, als wir zum Lager zurückstiegen – ich glaube es war ein Sonntag – brach vor mir ein Russe plötzlich zusammen, tot. Ohne Zweifel starb er an Erschöpfung, denn wir hatten seit Langem kaum mehr etwas zu uns genommen. Die Wachmänner haben nicht einmal angehalten, man ließ ihn dort am Straßenrand liegen. Dies gab mir einen Stich ins Herz. Dieser Russe war jung, er würde sein Land nicht mehr wiedersehen, ich kannte noch nicht einmal seinen Namen.“[3]
Durch die Befreiung frei?
Im März 1945 begannen die Deutschen das Lager Vulkan zu räumen. Foltzer verbrachte noch zwei Nächte im Lager Sportplatz. Am 30. März wurde er zusammen mit 29 weiteren Häftlingen, welche ebenfalls deutsch sprachen, freigelassen. An diesem Tag kamen viele Bewohner aus Haslach und Umgebung auf den Haslacher Rathausplatz, wo sich die Häftlinge versammeln mussten. Die Deutschen suchten sich hier Arbeitskräfte aus.
„Ein Polizist kam auf mich zu und schlug mir vor, zu ihm zu kommen, um mich um seinen Bauernhof und das Vieh zu kümmern. Er selbst war zum Militär eingezogen worden. Ich nahm an – und ich glaube übrigens, dass ich keine andere Wahl hatte.“[4]
So kam Foltzer nach Hornberg auf einen Bauernhof. Dort gewann er seine alten Kräfte wieder. Im Rathaus in Hornberg erhielt Henry Foltzer schließlich einen Ausweis. Nach der Befreiung durch die französische Armee kehrte er am 02. Mai 1945 zu seinen Eltern zurück.