Fernand Davy
„Wir waren gleichgültig geworden Gegenüber diesem Haufen Leichen“
Sabotage gegen die deutschen Besatzer
Fernand Davy wurde 1924 in Aucey-la-Plaine im Departement Manche geboren. Mit der deutschen Fremdherrschaft in Frankreich konnte er sich nie abfinden und engagierte sich schon seit Juli 1943 in verschiedenen Widerstandbewegungen. Er selbst nahm an mehreren Sabotage-Aktionen teil. Tagsüber wurde er von den Deutschen zu Bauarbeiten am Atlantikwall herangezogen, um entlang der Küste Panzergräben auszuheben. Nachts sabotierte er die Arbeiten der Deutschen, indem er und seine Gruppe Benzinlager zerstörten, Züge zum Entgleisen brachten, die Turbinen der Staumauer des Wasserkraftwerks von Vézins manipulierten oder an der Selune 20 Tonnen öl abließen und so die Baustellen des Atlantikwalls lahmlegte.
In Gefangenschaft
Doch als der Anführer der Widerstandsgruppe 1944 verhaftet wurde, flog auch Fernand Davy auf. Er wurde festgenommen und in einem Gefängnis in Frankreich festgehalten. Als er dann in deutsche Gefangenschaft kam, begannen die schrecklichen Verhöre mit Folter, unter der Leitung des berüchtigten Chefs der Gestapo Dufour.
Nach einer besonders brutalen Sitzung, in deren Verlauf ihm alle Vorderzähne ausgeschlagen worden waren, wurde er mit Handschellen gefesselt und in einem finsteren Loch zurückgelassen, wo er zwei lange Wochen medizinisch nicht versorgt wurde. Am 16. Mai 1944 fand sein Prozess vor einem deutschen Militärgericht statt, das Urteil lautete auf Todesstrafe, welche aber in lebenslängliche Zwangsarbeit umgewandelt wurde. Dies bedeutete für Davy die Deportation ins KZ Natzweiler-Struthof im Elsass.
Am 16. September 1944 wurde Fernand Davy dann schließlich über das KZ Dachau nach Haslach ins Lager Sportplatz verlegt. Gleich bei der Ankunft wurden ihm verschiedenen Arbeiten zugeteilt. Er erinnert sich an den Bau von Schornsteinen, Rohrleitungen und das Anbringen des Stacheldrahts mit weiteren Kameraden. So berichtet er, jeder Tag sei zu dieser Zeit ein Kampf ums überleben gewesen.
„Um sicher zu sein, genug ‚Saft‘ zu bekommen [so nannten die Häftlinge die Suppe aus lauwarmem Wasser mit einigen Gerstenkörnern], versteckten wir das [für uns kostbare] Essgeschirr unter den Gebeinen der Toten. Wir waren gleichgültig geworden gegenüber diesem Haufen Leichen, die aufgeschichtet dalagen wie Holz unterm Vordach, am Fenster.“[1]
Jeden Tag mussten die Häftlinge den fünf Kilometer langen Weg zu den Stollen Vulkan zu Fuß auf sich nehmen und abends gingen sie dieselbe Straße wieder hinunter nach Haslach ins Lager Sportplatz. Auf dem Rückweg hatten sie die Kranken, Verletzten und Toten mit ins Lager zu schleppen. Anfangs wurden die Toten noch in Särgen, die die Häftlinge selber herstellten, begraben. Doch da die Sterberate immer weiter stieg, war dieses Verfahren bald unmöglich. Die Leichen wurden seitlich an der Baracke aufgestapelt, dann in ein Massengrab vor der Haslacher Friedhofsmauer geworfen und mit Kalk bedeckt.
Fernand Davy erinnert sich, dass sich die Bevölkerung Haslachs sehr unterschiedlich verhielt. Einerseits gab es Menschen, die versuchten die Häftlinge mit heimlichen Essensgaben zu unterstützen. Doch dies ging nicht immer gut. Einmal wurde diese Essensübergabe entdeckt und Davy und weitere Kameraden wurden ohne Nahrung drei Tage lang mit Arrest bestraft. Andere Häftlinge wurden als Kollektivstrafe in brutaler Weise mit dem Ochsenziemer misshandelt.
Es gab hingegen auch Haslacher, die den Häftlingen feindselig gesinnt waren und beschimpften sie auf ihrem Weg durch die Stadt oder bewarfen sie gar mit Steinen.
Als ein neuer Kommandant gekommen war, musste Fernand Davy selbst nicht mehr im Steinbruch arbeiten, sondern bekam Aufgaben innerhalb des Lagers zugewiesen.
Das Martyrium nimmt doch noch ein Ende
Am 15. Februar 1945 wurde er dann mit den anderen völlig abgemagerten 245 Überlebenden des Lagers Sportplatz noch für zwei Monate ins KZ nach Vaihingen gebracht; ein sogenanntes ‚Erholungslager‘ mit sehr vielen Kranken und einer enorm hohen Sterblichkeitsrate. Fernand Davy hat schreckliche Erinnerungen an diese Zeit: So war es seine Aufgabe die vielen Gestorbenen auf einer Bahre wegzubringen, bis er schließlich selbst an Typhus erkrankte. Von Vaihingen aus wurde er dann ins KZ Dachau verlegt, wo er am 29. April 1945 von amerikanischen Streitkräften befreit wurde. Am Tag seiner Befreiung wog er noch 32 Kilogramm.
Am 28. Mai 1945 wurde er nach Paris zurückgebracht, wo er mehrere Wochen behandelt wurde, bevor er am 12. Juni 1945 nach Hause zurückkehren konnte.
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