Station 1 – Der Bahnhof
„Wir waren drei Tage unterwegs und in Viehwagen zusammengepfercht“
Station 1 als Audioguide
Der Bahnhof als zentraler Ankunftsort der Haslacher Häftlinge
In den drei Haslacher Lagern Sportplatz, Vulkan und Kinzigdamm waren von September 1944 bis April 1945 ca. 1.700 Häftlinge aus 21 Nationen interniert. Der Haslacher Bahnhof war der zentrale Ankunftsort der Gefangenen. Von dort wurden sie auf die drei Lager verteilt.
Viele Häftlinge wurden aus verschiedenen Konzentrationslagern in Güter- und Viehwaggons nach Haslach transportiert. Der erste Häftlingstransport kam vom Stammlager Natzweiler-Struthof über die KZs Dachau und Allach am 16. September 1944 in Haslach an. Der Lagerüberlebende Marcel Rémy erinnert sich an diesen Transport:
„Dann wurden wir in Viehwaggons zusammengepfercht, d.h. 100 Mann pro Waggon, die Türen wurden sorgfältig geschlossen: Der Zug fuhr ab. In welche Richtung? Wir hatten nicht die mindeste Ahnung. Am 16. September kamen wir in der Nähe einer kleinen Stadt, die Haslach hieß, an. Der Zug hielt am Bahnhof; nicht weit von dort befand sich unser Kommando-Lager.“[1]
Die meisten Häftlinge waren Franzosen; einige hatten die französische Résistance-Bewegung unterstützt, andere wurden in Nacht-und-Nebel-Aktionen von den deutschen Kampfverbänden als Geiseln aus den besetzten Gebieten deportiert.
Die Häftlinge sollten im Haslacher Stollensystem Vulkan Zwangsarbeit leisten und unterirdische Produktionsanlagen für die Rüstungsindustrie errichten. Die unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Lagern führten zu einer hohen Sterblichkeitsrate. Deshalb wurden immer weitere Häftlinge nach Haslach gebracht. Die Ankunft folgender Transporte ist heute bekannt:
– 16. September 1944 399 Personen aus Allach
– 04. Dezember 1944 ca. 700 Personen aus Rastatt
– 08. Dezember 1944 251 Personen aus Flossenbürg
– 10. Dezember 1944 ca. 300 Personen aus Niederbühl
– 06. Januar 1945 88 Personen per LKW aus Freiburg
– ca. 45 Häftlinge kamen in kleineren Gruppen aus verschiedenen Lagern.
Häftlinge, die wie der 21-jährige Marcel Pierrat den Transport aus Rastatt mitgemacht haben, berichten über eine schier endlose Fahrt vom Rastatter Lager über Karlsruhe, Pforzheim und Freudenstadt nach Haslach.
„Bei der Abfahrt sind wir von 9 bis 3 Uhr morgens am Bahnhof gewesen, bei strömendem Regen. Die Fahrt dauerte 56 Stunden, um [160] km zurückzulegen. Durchnässt stiegen wir in die fensterlosen Waggons ein und als wir gegen 8 Uhr morgens ausgekühlt ankamen, sagten wir [Kapo] Fritz, dass unser Kamerad Welzer sehr hohes Fieber habe. Er antwortete, dass [Lagerleiter] Krauss befohlen habe, dass alle in Haslach aussteigen, und er ist dann einige Stunden nach der Ankunft im Lager gestorben.? [2]
Aufgrund mehrerer Luftangriffe „fuhr unser Zug nur, wenn die Bahn frei war: Wir sollten den Bahnverkehr nicht aufhalten.“[3] So kamen die 700 Männer „nach einer dreitägigen Reise, zusammengepfercht in Viehwaggons, als Verpflegung 500 Gramm Brot, am [04]. Dezember [in Haslach] an.“[4]
Der Haslacher Bahnhof als Ziel von Bombenangriffen
Seit Herbst 1944 nehmen die Bombenangriffe der 55 Alliierten im Schwarzwald immer mehr zu. Im mittleren Kinzigtal fallen viele Bomben auch auf Haslach, um die Materiallieferungen für den Ausbau der Vulkan-Stollen zu bombensicheren Fabrikationsstätten zu verhindern. Dabei waren die Gleisanlagen und Lokomotiven die Hauptziele der Fliegerangriffe. Von Oktober 1944 bis April 1945 gab es 21 Angriffe auf Haslach, bei denen 27 Personen getötet und etwa 80 Häuser zerstört oder beschädigt wurden.[5] Aber nicht nur die Haslacher Zivilbevölkerung hatte unter dem Krieg zu leiden.
Paul Philippi war bei seiner Verhaftung durch die Gestapo 1944.
Zu den erwähnten Gefahren [im Lager Kinzigdamm und während der Zwangsarbeit] gab es noch die Risiken des Kriegs. Da die Baracke, in der wir interniert waren, 200 Meter vom Bahnhof Haslach entfernt war und 150 Meter von einem Rüstungsbetrieb, war es verständlich, dass sich die alliierten Bomber auf diese strategischen Ziele konzentrierten. In unseren Holzbaracken waren wir umso weniger von den Luftangriffen geschützt, da uns die SS-Männer bei Alarm in den Barracken einsperrten, um sich selbst in soliden Betonbunkern in Sicherheit zu bringen. […] Man hat nie den Willen gezeigt, Schutzräume oder Gräben für uns zu bauen.
Was fast unausweichlich war, ereignete sich eines Tages beim Angriff auf die obengenannte Waffenfabrik. Ein Teil unserer Baracke ist zusammengefallen, und drei von uns sind von Maschinengewehrschüssen verletzt worden. Auch da beschuldige ich die Deutschen […]. Sie sind schuld, nicht die Alliierten, am Tod eines von uns; nämlich Alfred Dussoux, Lungenschuss, gestorben am 11. Februar 1945 im Krankenhaus Haslach.[6]
[1] Nach: Bicheray-Choquin, Michelle: Les camps de Haslach. les déportés racontent, 1998, S. 59.
[2] Marcel Pierrat nach: Bicheray-Choquin, Michelle: Les camps de Haslach. les déportés racontent, 1998, S. 328.
[3] So erinnert sich Henry Andersen: Bicheray-Choquin, Michelle: Les camps de Haslach. les déportés racontent (1998) S.211.
[4] Marcel Pierrat nach: Bicheray-Choquin, Michelle: Les camps de Haslach. les déportés racontent, 1998, S. 328
[5] Hildenbrand, Manfred: Haslach im Kinzigtal. Geschichte einer alten Marktstadt. Band 2, Haslach 2009, S. 551.
[6] Paul Philippi nach: Bicheray-Choquin, Michelle: Les camps de Haslach. les déportés racontent, 1998,S. 350.